Wer Diät hält, streicht meist kalorienreiche Lebensmittel wie Süssigkeiten oder Chips aus seinem Ernährungsplan. Gegessen werden sie aber schlussendlich trotzdem. Dieser Artikel erklärt ganz unwissenschaftlich anhand des Klopapier-Hamsterkaufs, wie «verbotene» Lebensmittel die Begierde von Menschen wecken. Hier der vielleicht etwas andere Pandemie-Bericht.
Ich sitze auf dem Balkon, geniesse die warme Frühlingssonne im Gesicht. Es ist Tag 4 vom Beinahe-Lock-Down. In diesen Tagen überstürzten sich die Ereignisse. Ich lasse in meinen Gedanken die letzten Wochen Revue passieren.
Mitte Februar. Das Corona-Virus schwappt von China nach Italien über. Bald wird auch die Schweiz betroffen sein. Wir hören von Quarantänen, verriegelten Städten, Hamsterkäufen. Unter Freunden besprechen wir, was das für uns bedeuten wird, ob es uns Angst macht und ob wir uns allenfalls einen Notvorrat anlegen müssen. Zu den Notvorräten sind wir uns einig: Nein, die brauchen wir nicht.
Anfangs März. Ich mache meinen Einkauf. Ein Gedanke schiesst mir durch den Kopf: Vielleicht kaufe ich doch besser noch eine Packung Pasta mehr, noch etwas für den Tiefkühler extra ein? Und Klopapier! Ich habe zwar noch, aber schimmelig wird es ja nicht. Eine Woche später im selben Supermarkt: Die gewöhnlich prallvollen Regale weisen beachtliche Lücken auf. Der Stapel mit der vakuumierten Rösti im Dreierpack neigt sich dem Ende. «Ja. Einpacken», sagt mein Unterbewusstsein. Es hat noch drei Dosen Linsen im Regal. «Ja, unbedingt mitnehmen».
Im Laufe der Woche verschärft der Bundesrat die Massnahmen zur Eindämmung des Virus. Es ist Samstag, ich gehe einkaufen. In der Tiefgarage ist es ruhig. Ich ahne noch nicht, was mich im Laden erwartet. Und staune nicht schlecht. Das Regal mit dem Knäckebrot und Zwieback – leer! Frisches Gemüse ist zwar reichlich vorhanden, aber Zucker, Mehl, Müesli und Flocken – ausverkauft! Konserven? Pasta, Tiefkühlprodukte? Nichts mehr da! Leere Regale soweit das Auge reicht. Auch Klopapier gibt es keines. Natürlich habe ich von ersten Hamsterkäufen gehört. Aber so? Freunde und Familie senden mir Fotos von leeren Regalen. Dasselbe Bild in der ganzen Schweiz. Witze über ausverkauftes Klopapier machen in den sozialen Medien die Runde.
Der Bundesrat versucht, die Bevölkerung zu beruhigen. Hamsterkäufe seien nicht nötig. Die Versorgungsketten sichergestellt. Im Laufe der Woche ertappe ich mich immer wieder beim Gedanken, ob es wohl in den Läden wieder Klopapier habe. Nicht, dass ich gebraucht hätte, aber irgendwie liess es mir doch keine Ruhe. Am Freitag Nachmittag beim Einkaufen bekam ich die Bestätigung: Hat es nicht. Jedenfalls nicht da, wo ich einkaufen ging.
Tönt übertrieben, lächerlich? Hand aufs Herz: Du kennst nicht das Gedankenkreisen um bestimmte Produkte oder Lebensmittel? Zum Beispiel um Süssigkeiten oder Knabbersachen, die du nicht zu Hause haben möchtest, weil du sie sonst isst?
Ein Mangel erzeugt im Menschen Angst respektive das dringende Bedürfnis, diesen Mangel zu beheben. Dazu gibt es Studien. Diese brauchen wir jedoch nicht, wir können ganz einfach das Einkaufsverhalten der Leute in den letzten Tagen betrachten. Ich glaube kaum, dass ich die einzige bin, die zu Büchsenlinsen und Fertigrösti griffen, obwohl diese für gewöhnlich nicht auf der Einkaufsliste stehen. Oder die Frau, die Glück hatte und gerade noch die letzten zwei Schachteln Kamillentee ergatterte, obwohl sie Kamillentee doch hasst.
Von Klienten höre ich oft, dass sie entweder gar nichts Süsses zu Hause haben dürften oder aber nur solche, die sie nicht so mögen. Wenn sie ihre Favoriten zu Hause hätten, würden sie die ganze Packung essen. Fakt ist aber, dass sich dann ihre Gedanken doch um Süssigkeiten kreisen, der Gluscht gross und grösser wird, und sie dann früher oder später doch zum Schrank pilgern und den Guetzlis den Garaus machen. Sie greifen aber eben nicht zu ihren Lieblingsguetzli, weil die zu Hause ja nicht verfügbar sind. Schade um die Kalorien.
Wie kommt man da jetzt raus? Die Lösung ist im Prinzip einfach, macht aber vielen Angst: Sich keine Lebensmittel verbieten und die Lieblingsprodukte immer auf Vorrat haben. Wenn wir «sündigen», dann mit den Favoriten und diese dafür mit allen Sinnen geniessen. Alles andere sind verschwendete Kalorien. Probiere es einfach mal aus.
Es macht dir Unbehagen, Schokolade oder Chips in grossen Mengen einzukaufen? Reflektiere deine Gedanken, die dir in letzter Zeit beim Einkaufen aufkamen. Die Hamsterkäufe sind ein wunderbares Studienobjekt.
Dies soll jedoch kein Aufruf für Hamsterkäufe in Pandemiezeiten sein. Hier hilft die Selbstkontrolle. Wenn du den Impuls zum Hamstern spürst, bleibe bewusst ruhig und entspannt. Mach dir bewusst, dass es im Sinne der Solidarität für uns alle besser ist, jetzt nicht zu hamstern. Die Selbstkontrolle funktioniert übrigens auch, wenn du den Drang zum übermässigem Essen verspürst.
Meine sanften Blitzgedanken ans Klopapier in diesen Wochen, haben mir einmal mehr klar bewusst gemacht, wie tief und fest die Angst vor einem Mangel in unserem Unterbewusstsein verankert ist.